Ein Tag mit Sprotte - Ein Erlebnisbericht

StadionlaufAufgeregt war ich seit Tagen. Wie wird er wohl sein? Wird ihm wenigstens etwas gefallen was wir vorbereitet haben? Wie gestalten wir die Autogrammstunde das es ihm nicht zuviel wird, jeder Autogrammjäger aber auch auf seine Kosten kommt? Will er überhaupt Autogramme schreiben? Wie wird das ganze ablaufen? Was könnte schiefgehen, was könnte nicht klappen?

 

Hoffentlich kommen überhaupt Leute und bitten um Autogramme. Die letzten 2-3 Tage ging mir sowas stündlich durch den Kopf. Geschlafen habe ich seit Donnerstag echt nicht so gut, gings dir anders thoba?

Die Vorbereitung des Ganzen war im Grunde recht einfach. Den Grundstein legte ja Thomas Balke(„thoba“ hier im Forum). Er besuchte ihn zuhause in Eging am See, sprach mit ihm über alte Zeiten, Fotos wurden geschossen und in dem Zeitraum kam der BI auch die Idee bzw. eher die Frage: Wie geht der FCC mit denen um die eigentlich erst für diese Geschichte stehen, die den Grundstein für diese Tradition und den schon noch ehrfürchtigen Vereinsnamen legten.

Antwort? Nicht so vorbildhaft.

Mag ja sein das man sich vom 4:0 gegen den AS Rom heute „nichts mehr kaufen kann“, aber muss man das deshalb komplett ausblenden? Warum war dann die Aufführung des Spiels Jena – Rom vor ein paar Jahren in der Kulturarena so ein großer Erfolg? Die Fans des FCC lechzen also schon danach die Geschichte des Vereins zu erfahren, wollen wissen warum Fans in Newport heute noch ehrfürchtig vom FCC sprechen.

Ich möchte das auch wissen, ich habe diese Zeit und diese Spieler auch nicht erleben dürfen.
1000 Autogrammkarten wurden gedruckt, 1000 Broschüren wurden gedruckt, sogar eine für diese Aktion eigens angefertigte Tischdecke. Danke hier an viertakt.de, danke Stefan Beyer das du uns hier wieder kostenfrei helfen konntest. Bist halt auch Zeiss Fan.

Ich hoffte er fühlt sich wenigstens etwas geschmeichelt.
Mit thoba war dann ausgemacht das er ihn Samstag im Hotel abholt. Dort musste er für nichts zahlen, weder Essen, noch Getränke, noch die Unterkunft hätten seinen Geldbeutel geschröpft. Ein Obstkorb stand auf dem Zimmer bereit, er hätte die Karte von oben bis unten und nochmal zurück essen können. Und was gab es zum Mittag? Thüringer Hausmannskost, Rostbrät´l mit Kartoffelsalat. Ellen, seine Frau, schloss sich dem an.

Wie ich erfahren habe gab es im Hotel schon einen Auflauf an Menschen die ihn erkannten, alle gleichzeitig mitteilen wollten wo sie mit ihm zusammen mal waren.
Die 3 kamen dann nun also 13:15 im Stadion an, pünktlich auf die Minute wie ausgemacht. Und ich dachte gleich: Oh Gott, ich wollte dem ganzen eigentlich keinen minutiösen Zeitrahmen aufdrücken, er soll einfach kommen wie er will und wenn ihm was nicht passt dann geht’s eben in den VIP Bereich wo für ihn sicher ein Tisch steht und gut.
Und dann kommt er durch das Tor und es ist gleich so….ja als würden wir uns gut kennen, hätten uns nach langer Zeit mal wiedergesehen. Mit seiner Frau das gleiche. Was für eine nette Dame.
Groß, top in Form, sowas von nett und herzlich.

Er kauzig, sie hochnäsig. Das wäre der Supergau gewesen. Nichts dergleichen.

Wir haben also am Fanprojekt was getrunken, vom Tisch, den Autogrammkarten und der Broschüre war er richtig angetan.
Wir erzählten über alles mögliche. Die Zeit wie er nach Jena kam. Er wollte einfach die Chance ergreifen sagte er, bereut hat er es nicht. Es war alles sehr familiär, die Frauen durften ja nicht mitreisen, oder nur selten. Die haben sich dann privat getroffen, während die Männer auswärts ran mussten.

Ich habe von der Arbeit die die Fans machen berichtet, was die Horda so macht, die BI, der SC. Was aus dem Haus geworden ist was heute Fanprojekt ist. Früher war das ein Wohnhaus quasi, sagte er. Er war davon allem sehr angetan, seine Frau auch.

Wo er es sich nicht richtig hat anmerken lassen ist beim Thema Umgang mit Ehemaligen. Seine Frau war da mehr bereit etwas zu sagen. Er bekommt vom DFB Glückwünsche zum Ehrentag, Einladungen zu Länderspielen – aber von seinem Verein nichts, seit vielen Jahren. Da er im Kontakt zu vielen anderen noch steht kann er bestätigen das es nicht nur ihm so geht.
Warum ist das so? Ist es wirklich so schwer oder zu teuer solchen Spielern eine Geburtstagskarte zu schicken? Wie kann man das ändern? Soll es überhaupt geändert werden oder ist das nicht wichtig, denn was kann uns ein Grapenthin, Bielau oder Hoppe heute noch bringen? Müsen sie uns überhaupt was bringen, oder ist es nicht einfach angebracht einmal im Jahr wenigstens „Alles Gute“ zu sagen?

Ich war überrascht das der Verein das nicht macht, da war ich echt beschämt, was soll man darauf antworten? Ich sagte was ich dachte: Traurig und beschämend.
Nun gut, er hatte vor Toreöffnung schon soviele Autogrammanfragen das er sich dann auch gleich an seinen Tisch machte und diese erfüllte. Mit Toreöffnung gesellte sich dann thoba zu ihm, ich blieb abseits und unterhielt mich mit seiner Frau, denn das war mindestens genauso interessant.

Warum seit ihr nach Berlin gezogen, fragte ich? Er war Torwarttrainer, wurde dann aber quasi rausgeworfen. Und so stand er da ohne Anstellung. Man bot ihm mit über 40 an wieder als Maurer zu arbeiten, aber wie soll das gehen? Seine Hände kaputt, er bekommt sie kaum richtig auf.

Aber wie kommt man dann so einfach nach Berlin, selbst ich weiß das es zu Ostzeiten nicht einfach war Wohnungen oder Häuser zu bekommen. Der Zufall spielte hier eine Rolle wie sie sagte. Ein Professor für Marxismus und Leninismus hatte eine Anstellung in Jena, dafür aber eine Wohnung in Berlin. So bot es sich an zu tauschen, für den Professor schlecht, ein halbes Jahr später wollte das ja keiner mehr gelehrt bekommen mit dem Ende der DDR.

Er fing dann bei Coca Cola an, den Job hat er über eine Zeitungsannonce bekommen. Erst ganz unten im Außendienst tätig, hat er sich dann hochgearbeitet zum Eventmanager. Er hat Galas, große Messen, Charityveranstaltungen usw. ausgestaltet.

Der Job hat ihm richtig viel Spaß bereitet, auch gut getan in seinem Alter nochmal sowas machen zu können. Er war dort sehr beliebt, hat heute noch viele Freunde dort.
Und irgendwann schaue ich dann doch mal hin zum Tisch in der Hoffnung da stehen ein paar Leute. Und dann stehen da wirklich – ich brauch nicht zu übertreiben – Massen. Ihn sieht man gar nicht mehr, von allen Seiten stehen sie und wollen Autogramme. Hier müssen wir beim nächsten mal definitiv was ändern, es war für ihn unerträglich warm, weil eben von keiner Seite Luft rankam. Ich stellte ihm kurz nach 14 Uhr einen Becher Wasser hin den er ablehnte, aber das war mir egal. „Hans, trink“ habe ich nur gesagt.

Kurz darauf lief Rudi Völler den Weg am Fanprojekt lang, man erkannte ihn definitiv aber bei vielen sah ich im Gesicht die Überlegung an: Wenn ich jetzt zum Völler gehe, gebe ich meinen Platz hier am Tisch von Sprotte auf und bekomme vielleicht kein Autogramm.

Sprotte und die Käthe kennen sich wohl etwas wie mir seine Frau sagte.

Die Leute waren alle friedlich, wirklich sehr diszipliniert. Wir konnten sicher nicht alle Autogrammwünsche erfüllen, mir tut das natürlich leid, ihm noch mehr und er hätte auch weiter geschrieben. Aber zum einen musste er mal ganz ganz dringend, zum anderen hat er schon gut 30 Minuten länger gemacht als geplant und es besteht ja auch die Möglichkeit demnächst, eine seiner Autogrammkarten bei der BI abzuholen. Den Rest hat er jetzt mit zuhause und schickt uns davon viele unterschrieben zurück.

Als wir dann 15:10 wirklich abbrachen, stand sein Wasserbecher völlig unbenutzt da. Da fehlte kein Tropfen. Er hatte keine Zeit zum trinken sagte er.
Dann musste er aber wirklich dringend und danach ging es in den VIP Bereich wo extra für ihn ein Tisch bereit stand. Dort traf er natürlich Weggefährten von früher, das waren dnan Gespräche da wollte ich nicht zuhören weil es mich auch nichts angeht. Ich holte mir mit thoba ein Bier und auch wir konnten jetzt mal kurz durchpusten. Thoba war sichtlich fertig, vorher 24h Schicht im Rettungsdienst, dann für das Spiel extra die Schicht getauscht und heute wieder arbeiten.

Das Spiel war dann leider recht schnell beendet mit den 2 Toren, die Luft aus, aber ihm fiel direkt auf, das die meisten Angriffe der Leverkusener über unsere linke Seite kamen, hier wohl unsere Schwäche ausgemacht wurde.

In der Halbzeitpause brachte ich ihn dann runter in den Spielertunnel und auf das Spielfeld wo er ja mit dem Stadionsprecher ein Interview machte(hat das jemand aufgenommen?) und vom GF einen Blumenstrauß bekam.

Uwe Dern zog ihn dann noch in sein Zimmer und schloss die Tür, was dort passierte kann ich nicht sagen, aber wer Uwe kennt 
Dann noch ein Bier und die 2. Halbzeit fing an.

Er selbst sagte eben, das ganze braucht seine Zeit und man müsse die nötige Geduld aufbringen. Sander gefällt ihm weil er eben auch anspricht was nicht passt.
Ein Freund von früher nahm die beiden dann wieder mit ins Hotel, ich blieb noch etwas um zusammen mit den anderen BIlern am Shop aufzuräumen.
Verabredet war ich mit Ellen und Sprotte nochmal KURZ für den Abend, beide sollten aber erstmal in Ruhe was essen.

Fast im Hotel angekommen merkte ich, das der Blumenstrauß noch im Stadion steht. Also umgekehrt und mich am Damaschkeweg schön blitzen lassen 
Im Hotel dann angekommen lachten beide laut, hatten sie wohl kurz davor selbst an den Strauß gedacht und meinten, der Steffen denkt dran, der bringt den bestimmt mit.
Das war dann gegen 19 Uhr.

Wir erzählten über alles. Warum er nach Eging zog bspw. In Berlin hielt beide nichts mehr, nachdem Sprotte in Rente ging. Er habe gut verdient bei Coca Cola, aber beide wollten nochmal was neues machen, beide wollten auch mal wieder etwas Eigentum. Also kauften sie sich von einem Freund eine DHH. Der Menschenschlag in Niederbayern ist sehr sehr schwierig, auch gibt’s da immer mal Probleme weil diese Leute eben anders sind, sehr eigen.

Er hat eine Tochter die noch in Berlin lebt, sein Sohn studiert in den USA. Er hat eine Enkeltochter die ihn regelmäßig besucht.
Er hatte natürlich auch über die große Enttäuschung gesprochen als sie erfahren haben, wer sie während der DDR Zeit alles bespitzelt hat, wer im Verein und im Freundeskreis eben doch alles bei der Stasi war. Seine besten Freunde bspw. Aber ich persönlich kann das nicht einschätzen, daher gibt’s auch keine Namen.

Ellen erzählte mir von ihrer Tochter – sie war Ruderin in Berlin – kaputtgespritzt wurde, damit man sie nicht mehr im Kader hatte, nur aufgrund einer angeblichen Westverwandtschaft von Ellen. Ihr Bruder lebte im Westen, sie hatten aber keinen Kontakt.

Buschner war für ihn der beste Trainer überhaupt. Mensch geblieben, er hielt die Mannschaft zusammen, er unternahm was mit ihnen, verteidigte sie wo es nur ging, aber forderte natürlich auch dann dafür Leistung. Und die gab man ihm. Wie enttäuscht er war das er nicht zu seiner Beerdigung kommen konnte.
Hans Meyer war auch gut, aber er wollte zuviel. Alles kontrollieren, über jeden alles wissen, alles musste über seinen Tisch. Heute wäre er quasi GF, Präsi, Sportdirektor, Pressesprecher in einer Person. Ihm lag das nicht so.

Warum diese Reise nach Wales nicht klappte fragte er mich. Liegt es am fehlenden Geld? Ich konnte nur sagen das wäre nicht der Grund gewesen, das war gesichert. Und „drüben“ zahlen die Waliser alles. Ich antwortete ehrlich, das man zwar daran denkt es im Herbst nachzuholen, ich aber nicht daran glaube. Der FCC lässt hier eine große Chance liegen, irgendwelche Vorwände müssen herhalten das diese tolle Sachen nicht klappt. Aber warum sollte es anders sein als wie sonst auch? Wenn es gegen so eine feine Sache schon Gegenwind im eigenen Verein gibt, bedarf es keiner weiteren Worte mehr. Wir werden nächstes Jahr 110 Jahre alt, wie schön wäre ein Besuch von Newport hier im EAS. Aber daraus wird dann eben nichts.

Immer wieder klang das Thema durch, das er den Verein wirklich liebt, aber die Enttäuschung groß ist, eben nichts mehr vom Verein zu hören.

Ich versprach ihm das ich am 2.9, wenn er 69 wird, anrufen werde.

Vielleicht ja der Verein auch?

Viel wurde noch geredet, es war dann irgendwann 21:30 geworden, Hans hatte mittlerweile sein 4. letztes Bier.

Ich empfahl während des Spiels die gute Fischkarte im Hotel, Ellen sagte mir auch das sie davon bestimmt heute abend probieren wird. Aber Thüringer Hausmannskost, Hackepeter, überzeugte dann eben mehr. Sagt eben auch viel aus über die beiden, finde ich.

Er signierte mir dann noch 10 Poster(die wollen wir im übrigen demnächst versteigern für einen guten Zweck), ich übergab ihm noch eine uralte Anstecknadel von Motor Wolgast und die letzten Schlucke im Glas wurden getrunken.

Er hat nun endlich auch mal ordentliche Autogrammkarten. Viele Anfragen bekommt er heute noch wie mir Ellen sagte, aus Newport kamen auch viele seither. Am Telefon muss sie aber alles für ihn dann managen sagt sie.

Dann stand Hans vom Tisch auf, sagte nur „Ellen du packst jetzt die Koffer, ich hatte heute einen anstrengenden Tag“.

Meine Tochter(4) war auch mit, zwischendrin aber bei einer Freundin, rief dann(und ohne das ich sie dazu animieren musste) „Tschüss Sprotte“ (ich erzählte ihr die Tage mal von Hans, von seinem Spitznamen usw.) und er musste laut loslachen.

Wir verabschiedeten uns, er bedankte sich für alles. Eine tolle Sache meinte er. Ellen drückte mich und sagte mir leise, der Hans habe sich riesig darüber gefreut. Schon als thoba bei ihm an der Haustür war rührte ihn das, als er dann die Einladung bekam noch mehr. Und das der Tag dann so toll werden würde hätte er wohl nicht gedacht.
Ich sagte dann auch nochmal Tschüss Sprotte, ich rufe dich an und wir sehen uns bald wieder.

Ich habe mir auch überlegt was wäre wenn? Hätte ich die Wahl Beckenbauer oder Cruyff zu treffen oder eben Grapenthin – Grapenthin wäre immer meine 1. Wahl gewesen. Ich habe alle 3 nie spielen sehen, aber wieviel interessanter ist ein Grapenthin für mich?

Für mich persönlich das Highlight meines fußballerischen Fanlebens. Jeder Aufstieg den ich mitmachen konnte war großartig, das das gestern so geklappt hat, war aber einmalig schön.
Wir haben natürlich gleich zu Beginn die Messlatte ganz hochgelegt mit Sprotte.

Aber es geht gar nicht darum irgendwas toppen zu wollen, es geht darum verdienstvolle Spieler wieder näher an den Verein zu bringen.
Hier hat der FC Carl Zeiss Jena, der Supporters Club, das Fanprojekt Jena und die BI Unser Stadion(thoba, du gehörst jetzt dazu) gestern einen ersten guten Schritt getan.
Auf der Mitgliederversammlung im November werde ich anregen das man sich diesem Thema ,Glückwünsche an Ehemalige, widmet.

Welche Aufgaben hat der Ehrenrat? Das wäre doch eine für dieses Gremium?

 

- Steffen "Liverpooler" Heilmann